

Schweizer Heimatvermögen im Erbschaftsteuer-DBA Schweiz-Deutschland
Von Dr. Peter Happe, Steuerberater/FB Internationales Steuerrecht/C.P.A., Köln und München, und
Lothar Boelsen, Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Steuerberater, Frankfurt
Das Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschlands1(E-DBA) hat einige interessante positive wie negative Überraschungen parat, die zu kennen und zu nutzen durchaus bei der Vermögensnachfolge- und Wegzugsplanung hilfreich sind. Dazu gehört vor allem die Tatsache, dass „Schweizer Heimatvermögen“ im Todesfall von Schweizer Staatsbürgern von einer Besteuerung in Deutschland freigestellt wird.
Die Übertragung von Privat- und Unternehmensvermögen auf die nächste Generation bei einer sog. vorweggenommenen Erbfolge ist aufgrund der weitreichenden Folgen über Jahrzehnte schon bei reinen Inlandssachverhalten ein hochkomplexes und emotionales Thema, dass ohne die richtigen Berater kostspielige Konsequenzen haben kann. Bei reinen Inlandssachverhalten kommt zumindest in Deutschland hinzu, dass die Stabilität der Steuergesetzgebung und damit Planungssicherheit zu wünschen übrig lässt. Eine gewisse Stabilität gewährleistet zumindest das E-DBA, das seit 1978 weitgehend unverändert geblieben ist.
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG führt – unter Außerachtlassung von E-DBA – zu folgenden Besteuerungsfolgen in Deutschland in den in der Tabelle dargestellten grenzüberschreitenden Grundfällen, gleich, ob es sich um Schenkungen oder Erbschaften handelt:
Die Aufzeichnungen müssen einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit ein grundlegendes Verständnis der Wertschöpfung in der Unternehmensgruppe bzw. in einem einheitlichen Unternehmen des Geschäftsmodells und des Funktions- und Risikoprofils der Transaktionspartner vermitteln. Die mit den einzelnen nahestehenden Personen abgewickelten Funktionen sind eine Übersicht hinsichtlich ihrer Art und des betragsmäßigen Umfangs der Entgelte darstellen (sog. Transaktionsübersicht).
Die Angemessenheitsdokumentation muss das ernsthafte Bemühen dokumentieren, dass der sich aus den wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen ergebende Fremdvergleichsgrundsatz für die steuerliche Einkünfteermittlung richtig angewandt wurde. Die Finanzverwaltung kann die verwendete Verrechnungspreismethode hinterfragen und verproben. Maßgebender Zeitpunkt für den Fremdvergleich ist grundsätzlich der Vertragsschluss, wenn ein Vertrag geschlossen wurde, nicht der Erfüllungszeitpunkt. Der Steuerpflichtige kann sich auf nachträglich bekannt gewordene Fremdvergleichsdaten stützen. Auch Plandaten können u. U. zugrunde gelegt werden, wenn aus bereits abgelaufenen Zeiträumen und auf der Basis kaufmännischer, betriebswirtschaftlich fundierter, vorsichtiger Prognosen beziehen.
Daneben ist eine Stammdokumentation aufzustellen, die auch als Master File bezeichnet wird, wenn die Umsatzgrenze von EUR 100 Mio. überschritten wird. Einzelheiten ergeben sich aus §5 Abs. 2 Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung.
Im zweiten Hauptteil der Verwaltungsgrundsätze 2020 werden schließlich Schätzungen und Zuschläge nach § 162 AO behandelt, die den Steuerpflichtigen als sog. „Beweisverderber“ mit der Absicht treffen, den Vorteil aus einer mangelnden Kooperation abzuschöpfen. Dazu darf das Finanzamt schätzen. Grundlage der Schätzung ist es in einem Akt wertenden Schlussfolgerns von dem Sachverhalt auszugehen, der Wirklichkeit am nächsten kommt. Die Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Datenbankstudien sind eine zulässige Schätzungsmethode im Sinne des § 162 AO. Für eine Einkünfteberichtigung reichen allein Mängel in der Begründung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen nicht aus, vielmehr müssen die vom Steuerpflichtigen angewandten Verrechnungspreise mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dem Fremdvergleich entsprechen und der von der Finanzbehörde ermittelte Verrechnungspreis zumindest wahrscheinlicher sein. Schätzt die Behörde bewusst willkürlich und zum Nachteil des Steuerpflichtigen, kann dies zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheids führen. In Verrechnungspreisfällen soll eine Schätzung nach § 162 AO zu Besteuerung des Gewinns führen, der erzielt worden wäre, wenn dem Fremdvergleich entsprechende angesetzt worden wären.
Das Finanzamt kann eine Bandbreite von Schätzwerten zu Lasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.
Sind (a) die vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder werden keine Aufzeichnungen vorgelegt oder (b) verwertbare Aufzeichnungen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nicht zeitnah erstellt worden, so kann neben einer Schätzung auch ein Zuschlag verhängt werden. Der Zuschlag beträgt EUR 5.000; er soll aber mindestens 5%, höchstens 10% des Mehrbetrags der Einkünfte betragen, wenn eine Schätzung durchgeführt werden musste. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu EUR 1 Mio. EUR, mindestens jedoch EUR 100 für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung.

Das Erbschaftsteuerabkommen mit der Schweiz zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Schenkungen nicht geregelt sind, sondern nur Zuwendungen von Todes wegen. Daher is es in einigen Fällen durchaus sinnvoll, die Übertragung von Todes wegen zu planen, statt die Übertragung schon zu Lebzeiten vorzunehmen. Z. B. wird im Todesfall eines Schweizer Staatsbürgers mit Ansässigkeit in Deutschland („Steuerlicher Wohnsitz“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 E-DBA) in der Schweiz gelegenes Immobilienvermögen (häufig auch als sog. „Schweizer Heimatvermögen“ bezeichnet) nach Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a) E-DBA von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen. Dieses sog. Freistellungsverfahren gilt auch dann, wenn der Erbe in Deutschland ansässig ist und kein Schweizer Staatsbürger ist. Der Grundfall Nr. 1 in der obigen Tabelle wird somit durch das E-DBA durch Freistellung in Deutschland eingeschränkt. Nicht einmal die ggf. anfallende Schweizer Steuer muss angerechnet werden, es bleibt bei einem Progressionsvorbehalt (schweizerisch auch Satzbestimmung bezeichnet). Wird Schweizer Heimatvermögen von einem Schweizer mit Ansässigkeit in Deutschland zu Lebzeiten verschenkt, so wäre dieses in Deutschland nach den deutschen Besteuerungsregeln in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Teil des Weltvermögens im Sinne des Grundfalles Nr. 1 in Deutschland steuerpflichtig; die Schweizer Steuer auf die Schenkung würde nur angerechnet. Die Steuer bei Schenkung zu Lebzeiten wäre somit höher als die Steuer bei Schenkung auf den Todesfall, stets in der Annahme, dass die Schweizer Steuer niedriger ist als die deutsche Steuer, was nur in Ausnahmefällen nicht so ist.
Schweizer Heimatvermögen ist nach Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a) E-DBA auch dann befreit (Ausnahme zum Grundfall 2.), wenn ein Schweizer Staatsbürger in Deutschland verstirbt, die Erben aber im Ausland (z. B. in der Schweizer oder in einem Drittland) wohnen.
Eine Freistellung als Ausnahme zum Grundfall 3.) gilt auch dann, wenn ein Erblasser mit Schweizer Ansässigkeit und Schweizer Staatsbürgerschaft im Todeszeitpunkt Schweizer Heimatvermögen an deutsche Erben (auch ohne Schweizer Staatsbürgerschaft) von Todes wegen zuwendet. Diese Freistellung ergibt sich nur höchst indirekt aus dem Zusammenspiel von Art. 5 (Belegenheit der Grundstücke) und Art. 8 Abs. 1 E-DBA, nach dem Vermögen nur in der Schweiz besteuert werden darf, wenn ein Erblasser mit Schweizer Ansässigkeit verstirbt. Zwar könnte man auf die Idee kommen, dass Deutschland über Art. 8 Abs. 2 E-DBA i. V. m. § 2 Nr. 1 ErbStG den deutschen Erwerber besteuern dürfte, weil der in Deutschland ansässig ist. Zur Verwirklichung der Grundfälle Nr. 3 hat sich nämlich Deutschland die Rückfallklausel mit Art. 8 Abs. 2 E-DBA als Ausnahmevorschrift von der generellen E-DBA-Regel einräumen lassen, dass Erbschaften grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Erblassers zu besteuern sind. Diese Ausnahme wird gelegentlich auch als überdachende Besteuerung bezeichnet. Höchstrichterlich ist aber kürzlich in zwei BFH-Urteilen2 bestätigt worden, dass Deutschland auch bei deutschen Erben – auch ohne Schweizer Staatsbürgerschaft – und Schweizer Erblassern nach Art. 8 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a) E-DBA Schweizer Heimatvermögen nicht besteuern darf. Das war von den Klägern in den BFH-Urteilen nur zu spät erkannt worden, weshalb sie nicht Recht bekommen haben.
Doch damit nicht genug, denn die Freistellung von Schweizer Vermögen geht sogar noch weiter: Stirbt ein Erblasser in der Schweiz – mit Schweizer Staatsbürgerschaft – und hinterlässt er neben Schweizer Heimatvermögen (also Immobilienbesitz in der Schweiz) auch Schweizer Betriebsstätten-Vermögen, Schweizer Seeschiffe und Luftfahrzeuge sowie „übriges Vermögen“ den deutschen Erben (mit Wohnsitz und ständigem Aufenthalt in Deutschland), so darf Deutschland nach Art. 8 Abs. 2 Satz 4 E-DBA dieses Vermögen nicht besteuern, wenn die Erben in Deutschland ebenfalls Schweizer Staatsbürger sind (2. Ausnahme zum Grundfall 3. der obigen Tabelle). Zum übrigen Vermögen zählen z. B. auch Wertpapierbestände, Geldvermögen und Beteiligung an Kapitalgesellschaften. Typischerweise stellt sich die Frage der Anwendung dieser Ausnahme von der Besteuerung in Deutschland in den Fällen, in denen Schweizer Nachkommen eines Schweizer Erblassers nach Deutschland ziehen. Dann stellt sich häufig die Frage, ob das künftige Erbe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge steuerfrei nach Schweizer Steuerrecht noch vor dem Wegzug nach Deutschland übertragen werden sollte. Dazu besteht rein aus erbschaftsteuerlicher Sicht nach dem E-DBA keine Notwendigkeit, weil die Übertragung im Todesfall in Deutschland steuerfrei ist. Während des Deutschland-Aufenthaltes der künftigen Erben sollte mit Blick auf die erbschaftsteuerfreie Lösung jedenfalls von Schenkungen aus der Schweiz abgesehen werden, weil die Schenkung stets zu Steuern in Deutschland führen würde.
Der Grundfall 4., beschränkte Steuerpflicht, lässt sich im Verhältnis zu Deutschland im Regelfall durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft in der Schweiz (sog. „Blocker“), die das beschränkt steuerpflichtige Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG in Deutschland hält, optimieren. Die Übertragung der Anteile daran ist in Deutschland im Regelfall erbschaftsteuerfrei und auch schenkungssteuerfrei, wenn Zuwendende und Empfänger der Zuwendung sonst keinen Nexus zu Deutschland haben.3
Bei aller Freude über die sonst in der deutschen E-DBA-Abkommenspraxis nicht üblichen Freistellungsmöglichkeiten bei Vermögensübertragungen mit Deutschlandbezug, bestehen durchaus nachteilige Bestimmungen im E-DBA mit der Schweiz, die man als unüblich und verschärfend gegenüber anderen E-DBA ansehen kann, die Deutschland geschlossen hat. So wird korrespondierend zum Einkommenssteuer-DBA in Art. 4 Abs. 3 E-DBA eine „überdachende Besteuerung“ dergestalt durchgeführt, dass bei einer Ansässigkeit („Steuerlicher Wohnsitz“) des Erblassers in der Schweiz und einer „ständigen Wohnstätte“ in Deutschland über mehr als fünf Jahren vor dem Todesfall deutsche Erbschaftsteuer auf das Gesamtvermögen des Erblassers erhoben wird. Die Schweizer Steuer wird auf die deutsche Steuer angerechnet. Durch Verweis auf Art. 10 Abs. 1 E-DBA in Art. 4 Abs. 3 E-DBA bleibt zumindest das Immobilienvermögen in der Schweiz als „Schweizer Heimatvermögen“ außen vor, wenn der Erblasser Schweizer Staatsbürger ist. Dennoch ist die überdachende Besteuerung eine unangenehme und häufig übersehene Besteuerungsfolge eines Wohnsitzes in Deutschland, wenn es sich bei der ständigen Wohnstätte um eine beruflich oder häufig genutzte Wohnung handelt, die nicht nur Erholungs-, Kur-, Studien- oder Sportzwecken dienen und nachweislich nur gelegentlich genutzt wird. Die Jagdhütte eines Schweizer Jagdfreundes im Schwarzwald sollte zumindest dann nicht zu einer ständigen Wohnstätte in Deutschland führen, wenn der Nachweis einer nur gelegentlichen Nutzung gelingt.
Schließlich führt auch die sog. „nachlaufende Besteuerung“ für einen Wegzügler aus Deutschland in die Schweiz nach Art. 4 Abs. 3 E-DBA zu einer Besteuerung in Deutschland, wenn der Wegzügler im Jahr des Wegzugs oder in einem der folgenden fünf Jahre verstirbt und 10 Jahre vor dem Wegzug in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Das Schweizer Besteuerungsrecht bleibt davon unberührt, d. h. die Schweiz darf vorrangig besteuern und Deutschland rechnet die Schweizer Steuer an. Die nachlaufende Besteuerung gilt nicht, wenn der deutsche Wegzügler zur Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit in die Schweiz zieht, einen Schweizer Staatsbürger ehelicht oder zum Wegzugszeitpunkt bereits Schweizer Staatsbürger war. Unabhängig davon wird Schweizer Heimatvermögen auch unter der nachlaufenden Besteuerung in Deutschland nicht besteuert, Art. 4 Abs. 4 Satz 3 E-DBA, welches Schweizer Staatsbürgern zugerechnet wird.
Die präferenzierende Besteuerung für Schweizer Heimatvermögen ist nach dem an der Stelle eindeutigen Wortlaut auch zu gewähren, wenn eine Person sowohl die Schweizer als auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Das wird von der deutschen Finanzverwaltung in praxi aber gerne etwas anders gesehen und sie versucht auf deutsch-schweizerische Doppel-Staatsbürger nach § 2 Abs. 1 ErbStG oder §§ 2 ff. AStG eine nachlaufende Besteuerung anzuwenden.
Schweizer Heimatvermögen im Erbschaftsteuer-Abkommen Schweiz-Deutschland «CH-D Wirtschaft» 1/2021
1 Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern vom 30. November 1978, BGBl. II 1980, 595.
2 BFH vom 20. März 2019, II R 61/15 und II R 62/15.
3 Hinweis auf eine mögliche deutsche Grunderwerbsteuer, wenn der Gesellschafterwechsel bestimmte Grenzen überschreitet.