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Die Besteuerung von Kryptowährungen im Privatvermögen in Deutschland

Von Dr. Peter Happe, Steuerberater/FB Internationales Steuerrecht/C.P.A., Köln und München.


Kryptowährungen (kurz: Cryptos) sind inzwischen etablierte Wertaufbewahrungsmittel und Zahlungsmittel und werden zur „Verbriefung“ der Anlage in alle möglichen Assetklassen wie Eigenkapital in Unternehmen, Darlehen, Grundstücke, Kunst, Wein und sogar Edelsteine und Oldtimer oder Nutzungsrechte verwendet (sog. Tokenisierung). Der Marktwert von Cryptos wie Bitcoin hat plausiblen Schätzungen zufolge das Volumen von 2 Billionen Euro erreicht. Zwar machen die bekannten Cryptos wie Bitcoin und Ethereum den Großteil dieser „Währungen“ aus, daneben gibt es indessen noch ca. 9.000 andere, größtenteils exotische Cryptos und eine Vielzahl von mehr oder weniger seriösen Handelsplätzen, auf denen die Cryptos gehandelt und auf sog. Wallets gelagert werden können. Ein privater Austausch von Cryptos ist ebenso möglich wie die Aufbewahrung auf sog. Cold Wallets im Safe oder auf dem privaten Rechner zu Hause. Die Anzahl und das Volumen von Cryptos wachsen ständig, wie auch die Anzahl der Investoren. Es herrscht Goldgräberstimmung und nicht wenige Crypto-Investoren sind zu Millionären geworden, was besonders die Attraktivität der Investments in Cryptos ausmacht. Anders als die Besteuerung von Gold ist die Besteuerung von Cryptos ein rechtlich weitgehend unbekanntes Terrain, zumindest noch in Deutschland. Das gilt nicht nur zivilrechtlich, sondern auch aufsichtsrechtlich und steuerrechtlich. In diesem Beitrag wird nur die Besteuerung von Cryptos im Privatvermögen behandelt, die durch ein aktuelles BMF-Schreiben im Entwurf festgeschrieben werden soll.

1. Aufbau des BMF-Schreibens und Qualifizierung der Cryptos

Rund dreieinhalb Jahren, nach dem die das Bundesministerium der Finanzen – BMF in Berlin eine Verlautbarung zur Behandlung von Cryptos nach dem Umsatzsteuergesetz – UStG herausgegeben hat (BMF vom 27. Februar 2018, Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen; EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015, C-264/14, Hedquist, BStBl. I 2018, 316; danach ist der Handel mit Cryptos grundsätzlich umsatzsteuerfrei), hat man sich in Berlin entschlossen, eine Verlautbarung im Entwurf zur ertragsteuerlichen Behandlung von Cryptos herauszugeben, unter dem das BMF alle Blockchain-basierten Token versteht. In dem Schreiben werden nicht nur privat gehaltene oder gehandelte Cryptos behandelt, sondern auch gewerblich oder beruflich gehaltene Cryptos behandelt. Die Unsicherheit mit diesem weitgehend unregulierten Terrain wird dadurch deutlich, dass dem BMF-Schreiben eine Legende vorangestellt ist und darin Begriffe wie Mining, Staking, Token, Blockchain definiert werden.

Das BMF geht in seinem Entwurfs-Schreiben schlicht davon aus, dass Cryptos nicht abnutzbare, immaterielle Wirtschaftsgüter wie Rechte, Vorteile, Know-how oder Fremdwährungen auch sind, und die im Privatvermögen den sog. „anderen Wirtschaftsgütern“ des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entsprechen. Auch wenn diese Auffassung nicht völlig unumstritten ist, weil in der Praxis in Frage gestellt wird, ob es sich überhaupt um steuerpflichtige Wirtschaftsgüter handelt, muss man konzedieren, dass man die Wirtschaftsguteigenschaft kaum begründet in Zweifel ziehen kann (bejahend ebenso das FG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 20. Juni 2019, 13 V 13100/19, Zurückhaltend dagegen FG Nürnberg v. 08. April 2020 – 3 V 1239/19). Wie alle Verlautbarungen der Finanzverwaltung ohne Gesetzesrang binden sie zunächst einmal nur die Finanzverwaltung selbst.

Wenn und soweit dazu und zu anderen Themen finanzgerichtlich Verfahren rund um die Besteuerung von Cryptos bei den Finanzgerichten anhängig werden, ist es natürlich höchste Beraterpflicht, sich diesen Verfahren durch Einspruch und einen Antrag auf ein Ruhenlassen des Verfahrens anzuschließen, damit sich die nicht selten überraschende finanzgerichtliche Rechtsprechung Jahre später positiv für den Crypto-Investor auswirken. Jede Anschaffung oder Veräußerung von Cryptos ist ein Tauschgeschäft. Wenn und soweit zwischen Anschaffung und Veräußerung (Verkauf und Tausch) von Cryptos weniger als zwölf Monate liegen, sind die Veräußerungsgewinne nach Saldierung mit Veräußerungsverlusten aus Cryptos im Privatvermögen ab EUR 600 steuerpflichtig. Werden Cryptos länger als 12 Monate gehalten, können sie im Privatvermögen steuerfrei veräußert werden. Bei an unterschiedlichen Anschaffungsdaten erworbenen Cryptos kann der Steuerpflichtige wahlweise das bei steigenden Kursen steuergünstige Fifo-Vereinfachungsverfahren anwenden, nach dem fingiert wird, dass die zuerst erworbenen Cryptos pro Wallet zuerst verkauft werden, oder er kann aufgrund der eindeutigen Kennzeichnung aller Cryptos den Einzelnachweis für die Veräußerung führen.

2. Staking/Lending/Liquidity Mining/Yield Farming

Die steuerfreie Veräußerungsfrist verlängert sich nach Auffassung der Finanzverwaltung automatisch von 12 Monaten auf 10 Jahre, wenn mit den Cryptos Einkünfte in Gestalt des Lending, Staking, Liquidity Mining oder Yield Farming erzielt werden. Dies deshalb, weil diese Aktivitäten stets mit einem Entgelt verbunden sind, die Cryptos also zur Einkünfteerzielung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG eingesetzt werden. Hier kann man einwänden, dass bestimmte Staking-Aktivitäten selbst einen Tausch darstellen, der steuerfrei ist, wenn er nach Ablauf von 12 Monaten stattgefunden hat. Der Rücktausch nach dem Ende des Staking ist u. U. ein eigener Anschaffungsvorgang. Auch werden nicht alle Crypto-Bestände gleichermaßen infiziert. Insbesondere beim Mining besteht das Risiko, dass aufgrund des Einsatzes zahlreicher Rechner die Grenze zur Gewerblichkeit überschritten wird und die eingesetzten und gewonnenen Cryptos gar nicht steuerfrei veräußert werden können, weil sie Betriebsvermögen geworden sind. Aus Nachweisgründen sollte man die Staking - und Lending-Bestände und die spekulativ gehaltenen Bestände, mit denen nur ein Veräußerungsgewinn erzielt werden soll, streng voneinander trennen.

3. Verluste aus Cryptos

Die hohe Volatilität der Kurse, aber auch die Vielzahl der vorhandenen, z. T. überflüssigen Cryptos ohne Funktion führen fast zwangsläufig dazu, dass die meisten Crypto-Investoren nicht unerhebliche Verluste erleiden. Zwar können Crypto-Verluste und -Gewinne im selben Jahr u. U. auch mit anderen privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Wenn danach ein Saldo verbleibt, ist dieser ein Jahr zurück oder unbegrenzt vorzutragen und kann mit anderen privaten Veräußerungsgewinnen verrechnet werden. Eine Verrechnung mit anderen Einkünften wie Gehaltseinkünften oder gewerblichen Tätigkeiten scheidet aber völlig aus. Vor diesem Hintergrund kann eine gewerbliche Infizierung von Cryptos durch Einlage in ein Betriebsvermögen ausreichende Zeit vor der Verlustrealisation durchaus Sinn machen.

4. Wegzug

Erfolgreiche Crypto-Investoren haben häufig durch Staking infizierte, erhebliche Crypto-Werte im Privatvermögen angesammelt und können es kaum erwarten, die Gewinne zu realisieren und in Euro oder Dollar umzuwandeln. Das können sie aber vor dem Ablauf von zehn Jahren mit Ansässigkeit in Deutschland nicht steuerfrei, weshalb ein Umzug ins niedrigbesteuerte Ausland wie der Schweiz interessant sein kann, wo solche Gewinne schon eher steuerfrei realisiert werden können. Das deutsche Außensteuergesetz hat dem insofern eine Hürde in den Weg gestellt, als beim Umzug von Deutschen in DBA-Länder wie der Schweiz, aber auch Italien, Singapur etc., daneben auch Off-shore-Länder ohne DBA wie Panama, Paraguay, Chile bestimmte Einkünfte nachlaufend in Deutschland für das Wegzugsjahr + 5 Jahre (z. B. Schweiz) oder +10 Jahre (nicht DBA-Länder) besteuert werden (§ 2 AStG). Das trifft z. B. auf inländische oder sog. nicht-ausländische Einkünfte zu. Ausländische Einkünfte werden dagegen nicht in Deutschland nachversteuert. Völlig unklar ist, ob es sich bei Crypto-Erträgen um nicht-ausländische oder ausländische Einkünfte handelt, wenn sie im Privatvermögen gehalten werden. Werden Cryptos z. B. von sog. digital Decentralized Autonomous Organizations - DAO ausgegeben, die im Regelfall völlig unreguliert sind und keinen rechtlichen Sitz haben, so besteht erhebliche steuerliche Unsicherheit, wer Schuldner der Cryptos ist. Man könnte sich begründet auf den Standpunkt stellen, dass es sich bei Cryptos als sog. „andere Wirtschaftsgüter“ um Rechte handelt, die dann nicht in Deutschland steuerpflichtig wären und steuerfrei verkauft werden könnten. Alternativ kann man in solchen Fällen durch strukturelle Maßnahmen definitives Auslandsvermögen schaffen, weshalb zu Deutschland dann kein steuerlicher Nexus mehr bestünde.

4. Cryptos in der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Das deutsche Erbschaftsteuergesetz, welches sowohl bei unentgeltlichen Übertragungen von Todes wegen oder bei Schenkungen anzuwenden ist, verlangt im Grundsatz eine Bewertung auf einen Stichtag, der in § 9 ErbStG geregelt ist. § 12 ErbStG verweist – außer in Sonderfällen - grundsätzlich auf den ersten Teil des Bewertungsgesetzes, also die §§ 1 bis 16 BewG. Als Bewertungseinheit ist u. E. auf den einzelnen Token abzustellen, der zum gemeinen Wert, also zum Verkehrswert des § 9 BewG zu bewerten ist, und nicht etwa auf das Underlying, falls durch sie ein Underlying wie Kunst, Grundstücke oder auch Wein tokenisiert wird. Die Schwierigkeit ist weniger die Frage, ob ein Bid- oder Ask-Kurs am Bewertungsstichtag zugrunde zu legen ist. Hier lässt sich jeder Kurs rechtfertigen, weshalb u. E. auf einen Mittelkurs abzustellen ist. Interessanter ist die Frage, welcher Markt bei der Bewertung heranzuziehen ist. Zwischen den zentralen Märkten (wie Binance oder Coinbase) und dezentralen Märkten (wie Uniswap)  bestehen erhebliche Preisdifferenzen, was der Grund ist, warum Arbitrageure im Augenblick so erfolgreich sind. Die Finanzverwaltung stellt für einkommensteuerliche Zwecke auf den Durchschnittskurs mehrerer Handelsplattformen ab. Fraglich ist im Zusammenhang von Cryptos im Betriebsvermögen vor allem, ob es sich um schädliches Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b ErbStG handelt oder um begünstigtes Vermögen, weil es eine Sachforderung insbesondere in Tokenisierungsfällen darstellt, weshalb eine gewerbliche Infizierung als Gestaltungsmaßnahme von Crypto-Vermögen für erbschaftsteuerliche Zwecke in Betracht gezogen werden sollte. Das deutsche Erbschaftsteuergesetz ist auch in Wegzugsfällen zu beachten, weil Deutsche beim Umzug ins Ausland stets einer nachlaufenden Besteuerung in Deutschland von 5 Jahren nach dem Wegzug in Deutschland steuerverhaftet bleiben.

5. Ausblick

Offensichtlich besteht bei der Besteuerung von Cryptos zudem ein erhebliches sog. strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung, weil Cryptos anonym im Ausland getauscht oder privat gehandelt werden können (so auch das FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.3.2018, Az. 5 K 2508/17), ohne dass die Finanzverwaltung jemals davon erfahren dürfte. Tatsächlich kann sie nur theoretisch den Handel und die Transaktionen aufgrund von Milliarden Transaktionen täglich nachvollziehen, wozu es aber schon an den Ressourcen und dem Willen mangelt.

Ein solches strukturelles Vollzugsdefizit hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Beschluss vom 9. März 2004, 2 BvL 17/02 in einer ähnlichen Konstellation bei der Besteuerung von Wertpapieren in den Jahren 1998 und 1999 i.S. des § 23 Abs. 1 EStG a.F. als verfassungswidrig erkannt, weil steuerehrliche und steuerunehrliche Steuerpflichtige ungleich besteuert wurden. Das hatte letztlich zur Einführung der Abgeltungsteuer durch die Banken im Jahre 2009 geführt. Das BMF hat zumindest aus Geldwäschegründen mit der Kryptowertetransferverordnung im Entwurf vom 11.5.2021 versucht, dem Treiben mit Blick auf EU-Vorgaben Herr zu werden. In einer kürzlich abgehaltenen Anhörung zu dem aktuellen BMF-Schreiben hat sich ein Vertreter des BMF dahingehend geäußert, dass ein Vollzugsdefizit im Hinblick auf mögliche Auskunftsersuchen an Plattformbetreiber nicht bestehe. Dieses Argument verfängt u.E. nicht, da ein nicht unerheblicher und zunehmender Teil von Transaktionen über dezentrale Exchanges abgebildet wird.

Erforderlich zur Regulierung und Besteuerung von Cryptos ist eine erhebliche international abgestimmte Kraftanstrengung. Marktteilnehmer versichern jedenfalls, dass eine Regulierung und klare internationale Regelungen bei der Besteuerung sowie die Aufsicht von Marktplätzen dem Wachstum des Marktes eher helfen als schaden würden. Eine fundamentale Auseinandersetzung dieser andeutungsweise vorgetragenen offenen Punkte vor den deutschen Finanzgerichten steht noch aus, weshalb ein Wegzug in steuerlich stabilere Jurisdiktionen wie der Schweiz bei größeren Vermögen, nicht nur bei der Anlage in Cryptos stets anzuraten ist.

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